Es gibt in der häuslichen Pflege unterschiedliche Faktoren, die Probleme für den pflegenden Angehörigen auslösen können.
Wenn nichts getan wird, führen diese oft zu unnötigen körperlichen und seelischen Belastungen bis hin zu Unfällen.
Was könnte zum Problem werden?
Die Belastungen, die auf pflegende Angehörige einwirken, sind sehr vielfältig. Sie können sozialer, finanzieller, körperlicher sowie psychischer Natur sein. Sie sind individuell verschieden und können einzeln auftreten, sich aber auch gegenseitig bedingen und beeinflussen. Welche Belastungen es gibt und wie Sie sich entlasten können, erfahren Sie hier.
Belastungen können sich auch über die Sprache äußern.
Was sind Stressanzeiger?
Wenn alles zu viel wird, denken viele pflegende Angehörige sofort: „Ich habe versagt.“ Sie glauben, dass diese Überforderung praktischen Aufgaben wie der Organisation der häuslichen Pflege und dem damit verbundenen Zeitaufwand geschuldet ist. Doch häufig ist dem nicht so; in vielen Fällen sind es die seelischen Belastungen, die zu einer Überforderung führen.
Viele pflegende Angehörige leiden unter Stress.
Das bedeutet, dass der Geist unter Dauerstrom steht, die Gedanken sich im Kreis drehen und sich nicht mehr zur Ruhe bringen lassen. Die Gedanken schwanken zwischen Sorgen, Hilflosigkeit und Zukunftsängsten („Wie soll das alles weitergehen?“). Auch Erinnerungen, die häufig ein Bedauern über die Vergangenheit beinhalten, schwirren den pflegenden Angehörigen im Kopf herum. Man ist mit den Gedanken nicht im Jetzt - also nicht bei dem, was man gerade tut. Dies kann dazu führen, dass durch unkonzentriertes Arbeiten Fehler gemacht werden und Unfälle mit Verletzungen die Folge sein können. Stress wird dann zur Belastung für Körper und Psyche, wenn dieser Zustand zu lange anhält. Dies macht sich durch Bluthochdruck, Herzerkrankungen und/oder seelische Beschwerden bemerkbar. Wichtig ist es, die Anzeichen zu erkennen, wann Anforderungen zur Überforderung werden.
Es gibt zwei Arten von Stress: den positiven Stress und den negativen Stress.
Positiver Stress kann zu Höchstleistungen antreiben, die Aufmerksamkeit wird erhöht und die Leistungsfähigkeit wird gesteigert, wenn wir die Anforderungen als Herausforderung sehen. Durch die Bewältigung der Herausforderung werden Glückshormone ausgeschüttet und es stellen sich Glücksmomente ein (z.B. beim Sport).
Negativer Stress kann aufkommen, wenn man in einer Situation ist, in die man sich nicht freiwillig begeben hat, der man sich nicht gewachsen fühlt und die man nicht verlassen kann. Dies führt zu einem Gefühl des Ausgeliefert- und Überfordertseins.
Viele Erkrankungen lassen sich leider nur mit Medikamenten behandeln oder vermeiden. Chronisch Erkrankte wie Personen mit Diabetes, Schmerzpatienten oder Menschen mit Bluthochdruck sind häufig nur mit Medikamenten in der Lage, ihren Alltag zu bewältigen. In Deutschland sind zur Zeit ca. 24.000 Arzneimittel zugelassen. All diese Medikamente haben Wirkungen und Nebenwirkungen und können zudem untereinander oder in Kombination mit anderen Substanzen (wie z. B. Alkohol) in Wechselwirkung treten. Selbst für Ärzte und Apotheker ist es schwierig, hierbei den Überblick zu behalten. Sicher ist, dass sich die Einnahme von Medikamenten nicht immer positiv auf die Leistungsfähigkeit auswirkt.
Medikamente mit beruhigender und sedierender Wirkung beeinträchtigen die Wahrnehmung, Aufmerksamkeit und Konzentration. Das Reaktionsvermögen wird herabgesetzt. Müdigkeit und Mattigkeit sind die Folgen. Die Pflege des Angehörigen kann dann unter Umständen nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr möglich sein.
Bestimmte Arzneimittel stören des Weiteren die Grob- und Feinmotorik sowie die motorische Koordination und visuelle Wahrnehmung. Koordinationsstörungen, Doppelwahrnehmungen, Drehschwindel und eine Einschränkung des Sichtfelds können die Folge sein. Hinzu kommt, dass die Informationsaufnahme und -verarbeitung derart erschwert sein kann, dass Situationen falsch eingeschätzt werden.
Verschiedene Medikamente können Aggressivität steigern oder erzeugen. Dies sind unter anderem:
Aber auch bei rezeptfreien Präparaten ist Vorsicht geboten. So können Mittel gegen Heuschnupfen, Hustensaft, Augentropfen oder gar Appetitzügler die Fahrtüchtigkeit, aber auch die Pflege von Menschen beeinträchtigen.
Je älter wir werden, umso häufiger müssen wir leider auf Arzneimittel zurückgreifen. Bedingt durch altersabhängige Funktionsveränderungen der Organe, veränderte Aktivität und Stoffwechsellage sind aber bestimmte Arzneimittel im Alter weniger gut verträglich.
Medikamente sollten nur eingenommen werden, wenn eine medizinische Notwendigkeit dazu besteht. Mit der behandelnden Ärztin sollte zwingend abgeklärt werden, ob die Einnahme eines Medikamentes Einfluss auf die Pflege des Angehörigen haben könnte.
Im täglichen Sprachgebrauch wird oft von „psychischen Belastungen“ gesprochen, oft verstehen die Leutedarunter jedoch eine „psychische Störung“ . So wird der Begriff „psychische Belastung“ negativ verwendet „und damit zugleich mit individuellen Beeinträchtigungen oder verminderter Leistungsstärke in Verbindung gebracht“ (BAuA, 2014, S. 19). In der Wissenschaft wird der Begriff dagegen nicht negativ, sondern neutral verstanden und primär auf äußere Bedingungen und Anforderungen zurückgeführt. Die Reaktion auf eine psychische Belastung wird als psychische Beanspruchung bezeichnet. Erst hier zeigt sich, ob sich eine psychische Belastung positiv oder negativ auf die Gesundheit einer Person auswirkt (Joiko, Schmauder & Wolff, 2010).
Psychische Belastung
Unter „psychischer Belastung“ versteht man alle äußeren Einflüsse (negative wie auch positive Einflüsse), die auf einen Menschen einwirken. Unter „psychisch“ versteht man Einflüsse auf die Gedanken, Gefühle und/oder das Verhalten eines Menschen. Langfristig trägt eine psychische Belastung entweder zur persönlichen Entwicklung und Gesunderhaltung bei oder führt zu einer negativen Beeinträchtigung wie zum Beispiel schädlichem Stress.
Psychische Beanspruchung
Die psychische Beanspruchung wird als die unmittelbare Reaktion auf eine psychische Belastung verstanden. Erst an der psychischen Beanspruchung wird deutlich, wie sich eine zunächst neutrale psychische Belastung auf den Menschen auswirkt beziehungsweisewelche Merkmale, Eigenschaften oder Verhaltensweisen ausgelöst werden. Die Reaktion kann von Person zu Person – abhängig von persönlichen Ressourcen und Bewältigungsstrategien – oder auch von der Intensität (Stärke und Dauer) der psychischen Belastung unterschiedlich ausfallen. Die DIN EN ISO 10075-1 definiert unmittelbare Auswirkungen als kurzfristige Beanspruchung sowie langfristige Beanspruchungsfolgen. Die Abbildung veranschaulicht die positiven und negativen kurzfristigen Auswirkungen psychischer Beanspruchung auf die Gesundheit und das Wohlbefinden.
Das Belastungs-Beanspruchungs-Modell zählt in den Arbeitswissenschaften als das verbreiteteste Konzept (Lohmann-Haislah, 2012). Zentral ist die Unterscheidung zwischen der Belastung als ein Merkmal äußerer Bedingungen und der Beanspruchung als ein Merkmal von Befinden und Gesundheit des Menschen (innere Bedingungen)(Rainer Österreich, 2001).
Eine optimale Belastung führt zu positiven Beanspruchungsfolgen und kann als gesundheitsförderlich angesehen werden. Entscheidend für die Auswirkung der psychischen Belastung ist aber nicht nur die Ausprägung der von außen einwirkenden Belastungsfaktoren bei der Arbeit, sondern auch die persönlichen Voraussetzungen des Einzelnen (Joiko et al., 2010).
Prof. Dr. Jon Kabat-Zinn ist der Begründer des Mindfulness-Based-Stress-Reduction-Programms, kurz MBSR. Dabei handelt es sich um ein Trainingsprogramm zum Erlernen von Achtsamkeit zur Stressreduktion. Durch ihn wurde das Achtsamkeitstraining in Deutschland bekannt.
Laut Kabat-Zinn sind wir häufig mit unseren Gedanken in der Vergangenheit oder in der Zukunft. „Achtsam“ bedeutet jedoch im Jetzt präsent und aufmerksam zu sein. Es bedeutet auch sich selbst wohlwollend, nicht wertend und mit Geduld zu begegnen.
Viele pflegende Angehörige leiden darunter, dass ihr Geist unter Dauerstrom steht, ihre Gedanken drehen sich im Kreis und lassen sich nicht mehr zur Ruhe bringen. Sie schwanken zwischen Sorgen, Hilflosigkeit und Zukunftsängsten. Auch Erinnerungen, die häufig ein Bedauern über die Vergangenheit beinhalten, schwirren den pflegenden Angehörigen im Kopf herum. Sie sind mit den Gedanken nicht im Jetzt, also nicht bei dem, was sie gerade tun. Dies kann dazu führen, dass Sie bei der Ausübung der pflegerischen Tätigkeiten unkonzentriert sind und Fehler machen oder sich sogar verletzen.
Hält dieser Zustand über einen längeren Zeitraum an, wird er zur Belastung für Körper und Psyche. Dies kann sich durch Bluthochdruck, Herzerkrankungen und/oder seelische Beschwerden bemerkbar machen. Um dem vorzubeugen, sollten Sie frühzeitig Achtsamkeits- und Entspannungsübungen in Ihren Tagesablauf mit einplanen.
Diese Übungen bringen Ihren Geist und Körper zur Ruhe und Entspannung. Sie lernen wieder, sich selbst zu spüren und Ihre Selbstheilungskräfte zu aktivieren.
Warum Sie Ihre Achtsamkeit trainieren sollten?
➥ Weil alle Menschen die Erfahrung völliger Ruhe und Erholung brauchen.
➥ Weil es die Selbstheilungskräfte aktiviert.
➥ Weil man dadurch freundlich, glücklich, einfühlsam und behutsam im Umgang mit sich selbst und anderen wird.
➥ Weil es von Vergesslichkeit und Zerstreuung erlöst.
➥ Weil es Ängste und Sorgen nehmen kann.
➥ Weil das Schmerzempfinden vermindert werden kann.
Achtsamkeit bedeutet auch, Dinge bewusst wahrzunehmen und Alltagshandlungen bewusst auszuführen. Mithilfe dieser kleinen Beschäftigungen, die sie täglich praktizieren können, eignen Sie sich eine achtsame Lebensführung an:
Durch regelmäßiges Üben einer der folgenden Methoden schulen Sie Ihre Selbstbeobachtung und erhalten eine achtsame Körperwahrnehmung. Darüber hinaus kommen Sie Stück für Stück aus dem Stress.
Im Folgenden werden die nicht so geläufigen Achtsamkeits- und Entspannungsübungen vorgestellt:
Bei dieser Form der Achtsamkeitsschulung geht es darum, den Körper wirklich zu spüren und nicht in das urteilende Denken über den Körper zu verfallen. Gedanken werden wahrgenommen, ohne sie zu bewerten und wieder losgelassen, indem man sich erneut auf seinen Körper konzentriert. Durch das regelmäßige Üben des Body-Scans lernen Sie den Körper bewusster wahrzunehmen. Sie entwickeln eine bessere Konzentrationsfähigkeit sowie auch ein hohes Maß an Achtsamkeit und Flexibilität. Mit der Body-Scan-Methode wird Ihr Körper in der Vorstellung und mithilfe Ihres Atems abgetastet. Dabei liegen Sie auf dem Rücken und erforschen in Ihrer Vorstellung ihre Körperregionen. Sie schicken mit Ihrer Vorstellungskraft ihren Atem durch den Körper und nehmen dabei alle Empfindungen wahr. Oft wird bei den Zehen des linken Fußes begonnen und dann geht es aufwärts durch das Bein in die weiteren Körperregionen.
Bei der Gehmeditation geht es darum, sich gezielt dem Erlebnis des Gehens selbst zu widmen. Hier ist es wichtig, sich auf die Empfindungen in den Füßen, den Beinen oder auch auf das Gefühl des sich bewegenden Körpers als Ganzes zu konzentrieren. Geübtere können das Gehen zusätzlich ihrem Atemrhythmus anpassen. Für eine Gehmeditation suchen Sie sich am besten einen Ort, an dem Sie für die Zeit der Meditation ungestört sein können. Wenn Sie erst einmal genügend Sicherheit erlangt haben, kann jeder Weg, den Sie zurücklegen, zur Meditation werden. Entscheiden Sie sich für einen Platz, an dem Sie etwa zehn Schritte ohne Hindernisse zurücklegen können. Es gibt auch die Möglichkeit, im Kreis zu laufen; ganz nach dem Platz, der Ihnen zur Verfügung steht. Im Freien kann es hilfreich sein, Anfang und Ende Ihres Weges zu markieren. Die Gehmeditation dient der Stressbewältigung und zur Entspannung.
Begründer der Feldenkrais-Methode ist der israelische Physiker Moshé Feldenkrais. Die Feldenkrais-Methode ist ein dynamischer Lernprozess, ausgehend von der menschlichen Bewegung. Jede unserer Bewegungen gibt uns eine Vielzahl an Informationen. Diese Hinweise können wir beachten und von ihnen lernen. Unsere Haltungen und Bewegungen werden spürbar, bewusster und damit veränderbar. Unsere individuelle Bewegung wird Ausgangspunkt für eine Entdeckungsreise zu uns und unserem Verhalten in Bezug auf unsere Umwelt. In der Feldenkrais-Methode erfahren Sie grundlegende individuelle Bewegungsmuster und Reaktionsweisen. Sie experimentieren mit verschiedenen Möglichkeiten und Variationen und erweitern damit Ihr Bewegungs- und Verhaltensrepertoire. Spielerisch leicht verbessert sich das Körpergefühl und das Körperschema wird deutlich erweitert. Je klarer und detaillierter diese innere Landkarte wird, umso flexibler und gelöster können wir uns bewegen.
Michael Krugman entwickelte dieses einfache und wirksame System auf der Basis der Feldenkrais-Methode sowie traditioneller und moderner Selbstheilungsmethoden einschließlich Yoga, Qigong und Meditation. Das Sounder Sleep System ist eine höchst effektive Methode zur Stressbewältigung und bietet dadurch Hilfe bei stressbedingten Gesundheitsstörungen. Es besteht aus kleinen, sanften, einfachen Bewegungen und Atemtechniken, die Sie auf einer weichen Unterlage liegend oder auf einem Stuhl sitzend ausführen. Die Bewegungen bieten eine wirksame Hilfe beim Ein-, Durch- und Wiedereinschlafen und führen zu einer schnellen allgemeinen Entlastung, Entspannung und zu mehr Wohlbefinden. Die Übungen lassen sich mit wenig Zeitaufwand leicht und einfach in den Alltag integrieren.
Meditation ist Balsam für die gestresste Seele: Studien belegen, dass Menschen, die regelmäßig meditieren, weniger an psychischen Krankheitsbildern wie Angststörungen und Depressionen leiden als andere.
Grundsätzlich entscheidet jeder Mensch selbst, was er braucht, um für sich zu sorgen. Klar ist aber auch, dass es den Pflegebedürftigen nur gut gehen kann, wenn es den pflegenden Angehörigen auch gut geht. Selbstsorge muss direkt von Anfang an eingeplant werden. Pflegende Angehörige müssen von Beginn der Pflegesituation an auch an sich denken, um beim Pflegen gesund zu bleiben. Das Thema Selbstsorge ist wichtig, damit Sie in Ihrer „Mitte“ (Balance) bleiben oder jene wieder erreichen.
Dennoch beinhaltet Selbstsorge für jeden Menschen etwas anderes und wird deshalb auf unterschiedlichen Wegen erreicht. Das bedeutet, dass es etwas gänzlich Individuelles ist. Selbstsorge ist von den persönlichen Bedürfnissen des Individuums abhängig und steht im Zusammenhang mit der Lebenssituation, dem Alter und der Gesundheit.
Studien und Erfahrungen zeigen, dass es einige Aspekte gibt, die viele pflegende Angehörige kennen und als hilfreich benennen.
Im Rahmen von Pflegekursen wird unter anderem auf die aktivierende Pflege eingegangen. Hier geht es um Hilfe zur Selbsthilfe für die Pflegebedürftigen. Der pflegebedürftige Mensch sollte noch so viel wie möglich selbst machen. Die Aufgabe der Angehörigen ist es, zu motivieren, anzuleiten und dem Pflegebedürftigen nicht zu viel Arbeit abzunehmen..
Zentral ist der Punkt, eigene Grenzen zu ziehen und zu lernen, „NEIN” sagen zu können. Das ist für pflegende Angehörige häufig leichter gesagt als getan. Hier braucht es viel Selbstbewusstsein und vor allem die Gewissheit, dass die Angehörigen auch das Recht haben, Grenzen zu setzen und für sich selbst zu sorgen.
Aus dem Bereich der Vermeidung von psychischen Belastungen und Burn-out ist ein wichtiger Aspekt das Pflegen von Hobbys und vor allem die Pflege von Sozialkontakten. Pflegende Angehörige können ihre Hobbys und Sozialkontakte dafür nutzen, abzuschalten, indem sie etwas ganz anderes als die Pflegesituation erleben, in einer Aktivität abtauchen, die Zeit vergessen und entspannen. Solche Erlebnisse sind regelmäßig notwendig, um die Reserven aufzutanken.
Darüber hinaus sind regelmäßige totale Auszeiten über einen längeren Zeitraum unerlässlich, um gut pflegen zu können. Eine Tiefenentspannung beginnt erst nach elf Tagen Urlaub.
Um all dies realisieren zu können, braucht es ein gutes Zeitmanagement. Hilfreiche Tages- und Wochenpläne finden Sie hier: